Gefühlsstark

Definition: Gefühlsstark – Was ist das?

Gefühlsstarke Menschen erleben immer wieder eine Achterbahn der Gefühle von größter Freude über tiefste Traurigkeit bis hin zur wildesten Wut. Wenn du als gefühlsstarker Mensch oder als Elternteil eines gefühlsstarken Kindes die Hintergründe von Gefühlsstärke kennst, ist das der Schlüssel zu einem besseren Verstehen und Umgehen mit den täglichen Herausforderungen in deinem (Familien-)Alltag.

Gefühlsstärke ist ein Persönlichkeitsmerkmal

Gefühlsstärke ist weder eine neurologische Entwicklungsstörung noch ein Erziehungsfehler, sondern ein weitestgehend angeborenes, vererbbares Persönlichkeitsmerkmal. Die heftigen Gefühlsausbrüche sind ein Ausdruck von Überforderung, die durch die erhöhte Aufnahme und komplexere Verarbeitung von Informationen im Gehirn entsteht.

Schnelle Überreizung durch hochsensible Wahrnehmung führt zu Überforderung

Gefühlsstarke Menschen haben eine hochsensible Wahrnehmung. Hierbei filtert das vegetative Nervensystem weniger Reize als bei durchschnittlich sensiblen Menschen. Sie nehmen also mehr und intensiver wahr und verarbeiten die Informationen komplexer. Diese “Reizüberflutung” kann zu Überforderung führen, aus der bestimmte Verhaltensweisen und Gefühlsausdrücke resultieren.

Überforderung äußert sich in starken Gefühlen

Manche Menschen ziehen sich eher zurück und haben gute Schutzmechanismen, andere haben diese Regulations- und Schutzmechanismen nicht, richten ihre Gefühle quasi ungefiltert nach außen und werden als “gefühlsstark” wahrgenommen.

Insofern sind gefühlsstarke Menschen gleichzeitig hochsensibel. Umgekehrt sind hochsensible Menschen aber nicht zwangsläufig auch gefühlsstark.

Gefühlsstarke Kinder

Als „gefühlsstark“ werden Kinder bezeichnet, die besonders willensstark, temperamentvoll, explosiv und gleichzeitig sensibel, verletzlich und nachdenklich, genauso aber auch in unvorstellbarem Ausmaß begeisterungsfähig sind, wenn sie etwas interessiert.

Der Begriff der „gefühlsstarken Kinder“ wurde von der deutschen Journalistin und Expertin für Familienthemen Nora Imlau geprägt, angelehnt an die „spirited children“, die die US-amerikanische Erziehungsexpertin Dr. Mary Sheedy Kurcinka erstmals 1992 beschrieb (siehe Abgrenzung – „Zur Entstehung der Begriffe“ weiter unten).

Gefühlsstarke Kinder reagieren demnach intensiv auf Sinneseindrücke und Reize, die sie umgeben. Häufig mit starken Gefühlen in allen Extremen. Gleichzeitig tun sie sich schwer, ihre überschäumenden Gefühle zu regulieren.

Regulationsschwierigkeiten erfordern Co-Regulation durch Eltern

Häufig lassen gefühlsstarke Kinder daher scheinbar kleinste Anlässe aus der Haut fahren und sie können sich nicht oder nur sehr schwer selbst beruhigen. Das ist auch für die Kinder selbst sehr belastend: Gefühlsstarke Kinder machen kein Drama, wie die deutsche Autorin und Familienexpertin Nora Imlau beschreibt, sondern sie erleben ein Drama.

Um sich beruhigen zu können, brauchen sie die Unterstützung ihrer Eltern, die sie in diesen heftigen Gefühlsstürmen co-regulierend begleiten müssen. Eine unglaublich anspruchsvolle Aufgabe, erfordert es doch von den Eltern selbst ihre eigenen Gefühle in diesen aufreibenden Situationen unter Kontrolle zu halten und ruhig zu bleiben. Es ist völlig nachvollziehbar, dass das nicht immer gelingt.

Für Eltern ist der Alltag mit ihren gefühlsstarken Kindern daher ein wahrer Kraftakt und führt immer wieder zu Überforderung, Selbstzweifel und Rechtfertigungsdruck gegenüber ihrem Umfeld. Oft sind sie am Ende ihrer Kräfte, weil die starken Bedürfnisse ihrer Kinder niemals weniger zu werden scheinen.

Gefühlsstarke Eltern/ Erwachsene

Gefühlsstärke und Hochsensibilität (als ein Teilaspekt von Gefühlsstärke) sind vererbbare Persönlichkeitsmerkmale. Insofern sind häufig auch die Eltern gefühlsstarker Kinder gefühlsstark und/ oder hochsensibel.

Das muss jedoch nicht zwangsläufig so sein. Gefühlsstärke und/ oder Hochsensibilität treten dann aber zumeist irgendwo im näheren verwandtschaftlichen Umfeld der Eltern auf, z.B. bei den Geschwistern der Eltern, bei ihren eigenen Eltern, bei Großeltern, beim Onkel oder der Tante, denen die eigene Gefühlsstärke und/ oder Hochsensibilität oftmals selbst (noch) nicht bewusst ist.

Viele Erwachsene kommen über die Gefühlsstärke ihres Kindes mit ihrer eigenen Gefühlsstärke und Hochsensibilität in Kontakt. Das macht es in Konfliktsituationen noch einmal umso schwerer.

Die meisten gefühlsstarken Erwachsenen haben seit ihrer Kindheit gelernt, sich anzupassen und ihre starken Gefühle zu unterdrücken, weil diese in ihrem Umfeld nicht geduldet oder respektiert wurden.

Sehen sie dann ihr „ausflippendes“ Kind vor sich, das so handelt, wie sie selbst es nie durften, triggert das natürlich enorm. Nora Imlau formuliert dazu sehr treffend, wie es ist, ein gefühlsstarkes, hochsensibles Kind zu bekommen: „wie ein Therapieplatz, für den man sich nie angemeldet hat.“

Abgrenzung zu Hochsensibilität und Diagnosen im neurodivergenten Bereich wie AD(H)S oder Autismus

Hochsensibilität ist ein Teilaspekt von Gefühlsstärke

„Nicht jedes hochsensible Kind ist gefühlsstark, aber fast jedes gefühlsstarke Kind ist hochsensibel“ schreibt Nora Imlau. Hochsensibilität ist also ein Teilaspekt von Gefühlsstärke.

Das Konzept der Hochsensibilität beschreibt die komplexere Reizaufnahme und Reizverarbeitung im Gehirn: Das vegetative Nervensystem filtert weniger Reize als bei durchschnittlich Sensiblen und verarbeitet sie komplexer. Diese „Reizüberflutung“ führt zu Überforderung, aus der bestimmte Verhaltensweisen und Gefühlsausdrücke resultieren. Manche Menschen ziehen sich eher zurück und haben gute Schutzmechanismen, andere haben diese Regulations- und Schutzmechanismen nicht, richten ihre Gefühle quasi ungefiltert nach außen und werden als „gefühlsstark“ wahrgenommen.

Begriffe als Versuch der Beschreibung und Aufklärung – keine „Schubladen“

Wichtig ist für mich, dass Begrifflichkeiten wie „gefühlsstark“ oder „hochsensibel“ Menschen in ihrer Individualität nicht in Schubladen stecken. Forscher*innen und Autor*innen versuchen durch diese Einordnung Betroffenen und ihrem Umfeld Sicherheit für den Umgang mit den Besonderheiten dieses Persönlichkeitsmerkmals zu geben.

Zur Entstehung der Begriffe

Gefühlsstark

Geprägt wurde dieses Phänomen 1992 durch die US-amerikanische Erziehungsexpertin Dr. Mary Sheedy Kurcinka, die sich mit Reiz-sensiblen, temperamentvollen und willensstarken Kindern beschäftigt hat. Sie nannte sie in ihrem Buch „spirited child“. Die deutsche Journalistin und Expertin für Familienthemen Nora Imlau hat die „gefühlsstarken Kinder“ mit ihren zahlreichen Büchern und Artikeln in den letzten Jahren einem breiteren Publikum im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht. Sie selbst ist Mutter eines gefühlsstarken Kindes.

Hochsensibel

1996, also 4 Jahre später erst, beschrieb die US-amerikanische Forscherin Elaine Aron mit dem Konstrukt der „Hochsensibilität“ Menschen mit einer „erhöhten Reizaufnahme und damit verbundenen erhöhten Reizverarbeitung durch das Nervensystem und dem Gehirn“. Die internationale Forschung spricht von „Sensory Processing Sensitivity“.

In der Wissenschaft ist man sich darüber einig, dass es sensiblere und robustere Gemüter gibt. Forschungen aus dem Tierreich zeigen, dass etwa 20% der untersuchten Populationen deutlich wachsamer und vorsichtiger sind als die anderen. Diese Kombination aus aufmerksameren und wagemutigeren Individuen scheint der Evolution am besten zu dienen lautet die Schlussfolgerung.

Gefühlsstärke und Diagnosen im neurodivergenten Bereich (AD(H)S und Autismus)

Neurodiversität bedeutet neurologische Vielfalt. So werden neurologische Entwicklungsstörungen wie z.B. Autismus, die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts- Störung (ADHS) oder Dyslexie (vormals Lese-Rechtschreibschwäche) heute zunehmend als eine Variante von Entwicklung des menschlichen Gehirns und Nervensystems betrachtet.

Gefühlsstärke an sich ist keine Diagnose, kann aber in Kombination mit diagnostizierbaren neurologischen Entwicklungsstörungen im neurodivergenten Bereich wie z.B. ADHS/ADS oder dem Autismus-Spektrum auftreten.

Auch hier sind die betroffenen Menschen reizoffen, nehmen Gefühle besonders intensiv wahr und haben häufig Schwierigkeiten, ihre Emotionen zu regulieren. Aber darüber hinaus gibt es weitere, von Gefühlsstärke oder Hochsensibilität abgrenzbare Symptome, die im Rahmen einer psychologischen Diagnostik abgeklärt werden können. Das Ergebnis der Diagnostik hilft, gezielte Unterstützung zu ermöglichen, wo sie erforderlich ist – von Therapie (Psychotherapie, Ergotherapie, Kunsttherapie, Tiergestützte Therapie etc.) über Skills- und Elterntrainings bis hin zu wenn notwendig auch medikamentöser Unterstützung.

Gefühlsstärke erkennen

Nachdem es sich um eine Spielart der Persönlichkeit und nicht um eine diagnostizierbare psychische Störung oder Krankheit handelt, gibt es keine messbare „Diagnose“ von Gefühlsstärke oder Hochsensibilität. Anhand verschiedener Kriterien kann aber eine (Selbst-)Einschätzung vorgenommen werden.

Gefühlsstärke

In Anlehnung an die Definition des „spirited child“ der US-amerikanischen Erziehungsexpertin Dr. Mary Sheedy Kurcinka formuliert die Autorin Nora Imlau 8 Merkmale für Gefühlsstärke.

Ausgehend von diesen Merkmalen kannst du auf www.gefuehlsstarke-kinder.de einen Test machen, ob dein Kind gefühlsstark ist. Auch Eltern können sich hier selbst testen.

Hochsensibilität

Ob du hochsensibel bist (oder dein Kind), kannst du anhand des übersetzten Originaltests von Elaine Aron auf der Website der Expertin Karin Abriel herausfinden:

Test Hochsensibilität

Weiterführende Informationen

Gefühlsstärke

Weitere Informationen, Alltagsbeispiele und zahlreiche praxisnahe Tipps findest du in den Büchern und Artikeln der deutschen Journalistin und Expertin für Familienthemen Nora Imlau, die ich nur wärmstens empfehlen kann. Sie hat den Begriff „gefühlsstark“ bekannt gemacht. Und das auf eine wie ich finde sehr gut verständliche, nachvollziehbare und wertschätzende Art.

www.gefuehlsstarke-kinder.de und www.nora-imlau.de

Hochsensibilität

Viele weiterführende Infos findest du auf der Website https://www.hochsensibilitaet.at der Expertin Karin Abriel, unter anderem auch eine sehenswerte 3sat TV-Dokumentation “Wie Hochsensible die Welt wahrnehmen” ganz unten auf der Startseite.

Für das TV-Magazin „Bewusst gesund“ des ORF wurde ich in einem sehr persönlichen Beitrag zum Thema „Hochsensibilität“ interviewt. Darin berichte ich von meinen Erfahrungen als hochsensible Frau und wie mich meine Kreativität und die Kunsttherapie auf meinem Weg begleiten. Du kannst den Beitrag hier nachschauen.

leuchtendbunt Blog

In meinem Blog und in meinem Newsletter werde ich immer wieder über hilfreiche Themen und Tipps berichten. Melde dich gerne an, dann bist du immer auf dem Laufenden.

Ich wurde als betroffene Mutter für eine PULS 4-TV-Dokumentation zum Thema Burnout sowie für das TV-Magazin „Bewusst gesund“ des ORF in einem Beitrag zum Thema „Hochsensibilität“  interviewt.

Meine Geschichte als hochsensible Mutter eines gefühlsstarken Kindes

Mutter eines gefühlsstarken Kindes zu sein ist etwas ganz Besonderes. Das konnte ich von Anfang an spüren, ohne es genau zu wissen. Es ist wunderschön, beflügelnd, emotional in alle Richtungen und unfassbar herausfordernd zugleich. Und es kann – gerade in Kombination mit diversen weiteren Aufgaben und Rollen in unserem Leben und bei eigener hochsensibler Wahrnehmung – zur völligen Überforderung führen. So ist es mir als berufstätige, hochsensible Mutter von zwei Kindern – eines davon gefühlsstark – im Laufe der Pandemie-Zeit gegangen. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem ich mir eingestehen musste: „Es geht so nicht weiter. Ich kann nicht mehr.“ Was ich lange nicht wahrhaben wollte, wurde fachärztlich diagnostiziert: Ich hatte ein Burnout.

Über diesen Teil meiner Geschichte als Mutter eines gefühlsstarken Kindes habe ich einen Blogartikel geschrieben. Denn heute kann ich darüber sprechen. Und ich finde es wichtig, meine Erfahrungen zu teilen.

Blog-Beitrag lesen ➜


PULS 4 TV-Interview

Aus diesem Grund habe ich auch eine Interviewanfrage des österreichischen TV-Senders PULS 4 für eine Burnout-Dokumentation 2022 angenommen. Diese Entscheidung war nicht einfach für mich. Aber ich fand es wichtig, damit die Awareness für dieses Thema – gerade im Zusammenhang mit dem Muttersein – zu unterstützen. Hier kannst du den Beitrag nachschauen.

ORF „Bewusst gesund“ TV-Beitrag zum Thema Hochsensibilität

Ein Jahr später, 2023, wurde ich für das TV-Magazin „Bewusst gesund“ des ORF in einem sehr persönlichen Beitrag zum Thema „Hochsensibilität“  interviewt. Darin berichte ich von meinen Erfahrungen als hochsensible Frau und wie mich meine Kreativität und die Kunsttherapie auf meinem Weg begleiten. Der Beitrag ist hier nachzuschauen.